Donnerstag, 14. August 2014

Sommer in Berlin 1989

Tut mir echt leid, dass Ihr warten musstet. Aber eine wichtige Näharbeit hat mich davon abgehalten, weiter zu schreiben. Und das wirklich Doofe ist, dass ich über die Tage in Berlin damals nicht viel aufgeschrieben habe. Meine Aufzeichngen fangen erst Ende September an. Jetzt muss ich 25 Jahre danach versuchen die Atmosphäre in der Stadt wieder aufleben zu lassen. Schwierig....
Es war heiß, jeden Tag. Wenn man was trinken wollte, bekam man auch überall was. Am Alex mit anstellen. In den Kaffees mit Wartezeiten. Aber es war möglich, obwohl die Stadt voller Touristen war. Ich schmecke gerade Berliner Weiße mit Schuss. Himbeer.

Wir spazierten vom Alex zum Brandenburger Tor. Saßen  am "Grandhotel" unter den Linden auf schicken Stühlen im Freien und tranken Kaffee. Schauten die schicken Geschäfte mit Meißner Porzellan und Pelzen an. Besuchten Museen, da war es kühl. Fuhren auch mal mit dem Dampfer auf der Spree.

Natürlich ein Muss der "Palast der Rebublik", Honeckers Lampenladen. Ich kannte ihn ja recht gut, aber weiter als in die Restaurants, hatte ich es noch nie geschafft. Die Bowlingbahn war immer ausgebucht und in die Disco kam man auch nicht rein. Überhaupt stellten wir fest, dass wir in unserer Hauptstadt als DDR- Bürger nicht gerne gesehen wurden. Ins "Palasthotel" kamen wir gar nicht rein. Da war das Bestechungsgeld in der falschen Währung.

Es war schon immer eine eigenartige Stimmung in der Stadt und die Berliner waren und sind schon seit je her ein besonderer Teil der Menschheit. Diese geteilte Stadt war einfach faszinierend und nicht jeder durfte oder konnte da wohnen oder sich auch nur aufhalten.
Im August 1989 spürte ich eine neue Facette, die mich auch maßlos aufregte. Wir eigenen Bürger waren Menschen 2. Klasse im eigenen Land und unser Geld - hart verdient - nichts wert. Das wurde gerade in Mitte sowas von deutlich.
Weiter draußen z.B. am Müggelsee oder im Zoo war die Situation eher so wie im restlichen Land. Bescheiden, aber was sollte man schon groß dagegen tun, außer sich aufzuregen und damit abzufinden.
Aber wie gesagt, in Mitte war die Unterscheidung in gern gesehene Gäste und störende Provinzler sehr deutlich. Das war natürlich was für mich. Ich konnte nie meinen Mund halten und mir war es da wurscht, wer vor mir stand.

Am 13. August waren wir jedenfalls in Treptow und im Zoo unterwegs. Da durfte ich nicht in "gefährliche Gebiete" wie Berlin-Mitte!

In den nächsten Tagen schreibe ich weiter, versprochen. Vllt interessiert es ja doch den einen oder anderen, wie das damals sowar. Nach Fotos schaue ich, aber es gibt nicht viel von damals und nur Schwarz-Weiß.  Dias habe ich noch reichlich, jedoch keinen Scanner zum Digitalisieren.

Heute nur dies: Mieke vor dem Brandenburger Tor. Man beachte den Look, Jeansrock und Jesuslatschen






Sonntag, 10. August 2014

Wo ist den nur die Zeit geblieben?

Viel Zeit ist ins Land gegangen seit dem letzten Beitrag. Gute und schlechte Tage. Viele Dinge sind passiert und die Stunden werden immer kürzer.

Ist schon verrückt! Heute vor 25 Jahren begann eine Story in meinem Leben, deren Ende niemand für möglich hielt.

Am 10.August 1989, einem heißen, sonnigen Tag, fuhren wir mit der Deutschen Reichsbahn von Halle an der Saale nach Berlin. Wir, mein Lebenabschnittsgefährte und ich, hatten Urlaub und er einen Bekannten in Köpenick, der eine Ferienwohnung vermietete. Nur für ein paar Tage, aber so konnten wir doch mal intensiver die Stadt durchstreifen und Museen und den Fernsehturm usw, besichtigen.


"Am 10.August 1989 sind wir gerade am Bahnhof Friedrichstraße angekommen. Da stehen wir also und wundern uns, schon oben auf dem Bahnsteig, über die vielen Menschen da unten. Das ist für uns  Provinzler schwer zu begreifen, aber die stehn Schlange! Am Grenzübergang!

Unsere Koffer werden in ein Schließfach gepackt und dann bummeln wir auf der Friedrichstraße nach Norden. Rechts der neue Friedrichstadtpalast. Der macht schon was her! Auch  wirklich schöne neue Häuser wurden hier gebaut und es gibt noch reichlich  Baustellen. Wir wollen aber zur "Botschaft".

Jeden Tag haben wir Berichte im Fernsehen verfolgt. Ich wollte hier her, alles in Natura sehen. Ab heute ist die Ständigen Vertretung der BRD geschlossen, weil 116 DDR-Bürger dort Zuflucht gesucht haben, um ihre Ausreise zu erzwingen. In uns jeden steckt doch so ein bisschen der Spanner und auch wir suchen "Nervenkitzel". Aber es sieht alles normal aus. Es ist wenig Polizei zu sehen, aber ich bin mir sicher, dass jeder Passant und jeder Schritt beobachtet wird. Ich fotografiere die Eingangstür und das Schild, das dort hängt und dem unwissenden Bürger erklärt, warum geschlossen ist. Wir setzen uns gegenüber in das Cafe und beobachten die Szenerie eine Weile. Dann kommt ein Fernsehteam vom ZDF und wir verziehen uns lieber.
Laufen weiter in Richtung Mauer zum Übergang Invalidenstraße. Hier ist alles ruhig. Keine Menschenmassen wie am Bahnhof. Ein paar gelangweilte Grenzer stehen rum.
Plötzlich ist ein Gedanke in meinem Kopf, der sich schlecht wegschieben lässt. Nie, niemals, werde ich durch diese Mauer gehen können, auch als Rentnerin nicht. Ich habe niemanden im Westen! Keine Verwandschaft, Freunde gleich gar nicht.
Ich will zu den Grenzern gehen und sagen: "Hallo Jungs! Ich bin Mieke und mache hier Urlaub. Hier habt Ihr meinen Ausweis! Ich gehe mal eben auf dem Ku-Damm bummeln, sehe mir die bunte Seite der Mauer an und heute Abend bin ich wieder hier.“
Warum denn nicht ?

Er sagt: „Du bist völlig verrückt! Die sperren dich ein!“ Ja, er hat recht!  Aber auch Mühe mich davon abzuhalten. "Komm wir fahren erst mal zu unserer Herberge, trinken zwei, drei Bierchen und dann sieht die Welt schon wieder anders aus."

Gesagt, getan. Wir holen unsere Koffer aus dem Fach und machen uns auf den Langen weg nach Köpenick. Zuerst mit der S- Bahn und dann noch mit der Straßenbahn. Du meine Güte, die Leute wohnen aber wirklich jottwede. Doch der Empfang ist großartig und es wird ein schöner Abend."

Auszug aus: Wer zu spät kommt.... von M.Richter